Mein erster Halbmarathon
(3. swb-Marathon Bremen 2007)
 

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oder auch

"Wie man vom Abnehmen zum Halbmarathon kommt!" 
 


Wie alles angefangen hat …

Wenn mir vor ein paar Monaten jemand gesagt hätte, dass ich mit meinen 51 Jahren und bis dato relativ unsportlicher Zeitgenosse noch einen Halbmarathon laufen würde, ich hätte ihn glatt für verrückt erklärt! Aber die Zeiten können sich ändern, und das ist gut so.

Vor ca. 5 Monaten war es endlich soweit, mein schon des oftmals gefasster und nie verwirklichter Entschluss sollte in die Tat umgesetzt werden. Ich wollte definitiv ein paar Pfunde abnehmen. Die meisten Hosen spannten, von Jahr zu Jahr nahm die Bundweite langsam aber stetig zu und ich ertappte mich immer öfters dabei, wie ich in der Sauna meinen Bauch einzog, ein auf Dauer leider hoffnungsloses Unterfangen.
 

Grafik Dicker Bauch
(Nein, ich bin's nicht wirklich selbst!)

Ich beschloss, weniger und bewusster zu essen, fettreduzierte Nahrungsmittel wurden gekauft, ich beschäftigte mich eingehend mit Kalorientabellen. Pech nur, wenn man eigentlich so gerne isst wie ich! Wie aber weiterhin auf erträglichem Niveau essen können und dazu trotzdem abnehmen? Die Lösung ist einfach und wohlbekannt, der Kalorienverbrauch musste gesteigert werden, das Zauberwort heißt „Sport“!

Joggen sollte es sein, das geht einfach, man benötigt als wichtigstes Utensil lediglich gute Laufschuhe, kann relativ schnelle Erfolge erzielen und es nahezu überall praktizieren.

Also begann ich im Mai 2007 mit dem Laufen, suchte mir zunächst eine abseits gelegene kleine Runde und trabte gemütlich mit Musik im Ohr zunächst nur wenige Minuten durchs Gelände, man(n) will sich ja nicht gleich blamieren. Ich hatte mir vorgenommen, jeden zweiten Tag zu laufen, egal wie das Wetter ist, und das habe ich eisern über die Monate bis auf ganz wenige Ausnahmen durchgehalten.

Nach kurzer Zeit war es mir bereits möglich, eine halbe Stunde am Stück durchzuhalten und ich wagte mich an den Werdersee, wo ich anfangs eine kleine Runde am Weserwehr laufen konnte, ohne zwischendurch  anhalten und nach Luft japsen zu müssen. Die Runden wurden größer, und ich wurde mutiger und ehrgeiziger und steuerte mein nächstes Ziel an, den Werdersee zu umrunden. Ich war jetzt in der Lage, über eine Stunde am Stück zu laufen. Es ist einfach herrlich, mit guter Musik im Ohr in schöner Landschaft zu Joggen und den Wind am Körper zu spüren. 

Das Abnehmen bzw. das Achten auf die Kalorien wurde nebensächlich, weil es plötzlich automatisch ging, ich konnte genüsslich essen und nahm trotzdem ab, insgesamt ca. 10 kg, was will man mehr!
 


Ehrgeiz stellt sich ein … 

Als ich mit dem Laufen begann, fragte mich meine Arbeitskollegin, ob ich mit ihr in einigen Monaten den Bremer Halbmarathon mitlaufen würde, was ich als absurd bezeichnete und vehement abwehrte. Doch die Idee und der Gedanke setzten sich in meinem Inneren fest und machten sich zusehends breiter, je mehr sich meine Kondition und mein wöchentliches Laufpensum steigerten. Nur so ganz nebenbei und rein zufällig bin ich dann im Internet auf der Seite des Bremer Marathonlaufes 2007 gelandet, und rein zufällig habe ich nachgeschaut, wie lange denn der Langsamste beim letztjährigen Halbmarathon benötigte, denn natürlich wollte ich nicht als Letzter durchs Ziel laufen, wenn ich denn überhaupt teilnehmen würde.

Ab dann ging es eigentlich Schlag auf Schlag: Halbmarathon-Trainingspläne wurden zur groben Orientierung studiert, der Blick zur Uhr während des Laufens wurde zunehmend wichtiger und ich begann, auf die gelaufene Zeit/km zu schielen. Die „Sucht“ war da, der Gedanke am  Bremer Halbmarathon 2007 mit Erfolg und in einer akzeptablen Zeit teilzunehmen, fesselte mich zusehends. Ich wusste, mein Ehrgeiz würde groß genug sein, ich hatte ein Ziel und wollte die Finisher-Madaille in Händen halten. Wie schon eingangs erwähnt, hätte mir das jemand vor wenigen Wochen prophezeit, ich hätte ihn für verrückt erklärt!

Leider fiel dann meine Arbeitskollegin verletzungsbedingt aus, und ich hatte keinen direkten Mitstreiter mehr. Aber ich war ja nicht wirklich alleine, lediglich 1600 „Konkurrenten“ wollten ebendfalls die 21 km möglichst schnell und locker hinter sich bringen.
 


Der Tag rückt näher …

… und damit meine Aufregung auch! Ich bin eigentlich gut vorbereitet, und ich weiss, dass ich nicht als Letzter durchs Ziel laufen werde, aber man(n) möchte ja mittlerweile nicht nur ankommen, sondern auch noch eine persönliche Best-Zeit laufen. Mein Zeitziel war es, die 2:00:00 Std. zu unterschreiten!

Zwei Wochen vor dem 30.September werfe ich doch noch einige Blicke auf Vorbereitungspläne, nur um beruhigt festzustellen, dass ich bereits automatisch das tue, was Laufexperten empfehlen. Und wenige Tage davor nimmt die Aufregung ständig zu, die Spannung steigt und man läuft dann auch noch nachts im Traum. An dieser Stelle meinen herzlichen Dank an Alle, die mich in dieser Zeit ertragen mussten und sicherlich das Wort „Halbmarathon“ nicht eben zu ihrem Lieblingswort der Woche gewählt hätten. Nachträglich habe ich gelesen, dass selbst erfahrene „Marathonis“ die Nacht vorher vor Aufregung schlecht schlafen.  Also scheine ich doch völlig normal reagiert zu haben, nachträglich doch ein beruhigendes Gefühl.
 


Die Teilnahme droht zu scheitern …

Seit ich regelmäßig laufe, hatte ich keinen Infekt mehr. Ausgerechnet in der letzten Woche und wenige Tage vor dem großen Ereignis spürte ich ein Kratzen im Hals. Und dann der unheilvolle Gedanke, den ich zunächst nicht wahrhaben wollte: Was wäre, wenn ich jetzt krank werden würde? Undenkbar, unmöglich, das konnte nicht sein, das durfte es nicht geben. Da hat man sich wochenlang gefreut, auf diesen Tag hingefiebert, und dann kündigen sich erste Vorboten eines drohenden Infektes an, eine absolute Katastrophe. Die sich unweigerlich breitmachende Enttäuschung und die Angst, es könnte noch schlimmer werden, machen die Sache noch schlimmer. Ich fühlte mich schlapp, kraftlos, wie sollte ich da 21 km laufen können. Man litt mit mir, von allen Seiten kamen gute Ratschläge, ich entschied mich gegen heiße Badewanne und Wollstrümpfe im Bett und bevorzugte die heiße Zitrone nebst dem Versuch, den inneren Druck abzubauen. Die geplatzte Teilnahme an einem Halbmarathon, für den man sich wochenlang vorbereitet und Hunderte Kilometer gerannt ist,  kann doch nicht so tragisch sein, das Leben geht weiter.

Der lang ersehnte Tag rückt immer näher, der Infekt wird nicht schlimmer, aber auch nicht deutlich besser. Nun ja, der Trainingszustand sollte genügen, um die 21 km dennoch zu schaffen, Hauptsache das Ziel erreichen und nicht vorher erschöpft aufgeben müssen. Jetzt sind Familie und Freunde an die Strecke bestellt, um Beistand zu leisten,  da kann man(n) doch nicht einfach krank werden und absagen? Am Vortag nochmals 4 km langsam getrabt, scheint noch alles zu gehen, am Abend nochmals eine Portion Vitamine in Form einer heißen Zitrone getrunken, Sporttasche gepackt und danach versucht, einige Stunden zu schlafen.
 


Sonntag, 30.09.07, eeendlich ist es soweit …

Früh vor 6 Uhr aufgestanden, noch ein wenig gegessen, damit der Abstand zum Lauf nicht zu klein und der Magen noch gefüllt ist. Nur noch knapp 3 Stunden bis zum Start, danach kann ich krank werden. In aller Herrgottsfrühe zum Vorstadt-Bahnhof, auf dem Bahnsteig finden sich die ersten Mitstreiter, man tauscht sich aus, alle sind ein wenig nervös und voller Erwartung auf die kommenden Stunden. Vom Hauptbahnhof bis zur Stadthalle bereits ein buntes Bild von Menschen in Sportbekleidung, alle im Lauffieber. In und vor den Messehallen befinden sich Stände von Werbeträgern, überall Läufer und hektische Betriebsamkeit. Nur nicht zu früh umziehen, denn es ist draußen noch rel. frisch mit knapp über 10°C. Zwei Schichten oder doch nur ein dünnes Funktionsshirt anziehen, ein offensichtlich schon erfahrener Läufer meinte mit Blick nach draußen und Hinweis auf möglichen Regen und kühlen Wind, doch lieber zwei Schichten, was sich nachträglich als gute Entscheidung herausstellte.
 


Auf die Plätze, fertig, los …

Um 8:40 sieht man Hunderte von Läufer Richtung Start aufbrechen, jetzt geht es bald los. Ich reihe mich meiner Zielzeitvorgabe entsprechend weiter hinten ein, man möchte ja nicht die anderen Läufer behindern und Vorlaufen ist allemal besser als ständig überholt werden! Die nächsten Minuten sind Spannung pur, ein unbeschreibliches Gefühl: Soweit das Auge reicht, nach vorne und hinten auf der Start-Straße Menschen, die alle dem Beginn entgegenfiebern, der leider kurzfristig aus organisatorischen Gründen um 10 Minuten auf 9:00 Uhr verschoben wird. Interessante Gespräche mit den umgebenden Menschen verkürzen die Wartezeit, Hüpfen auf der Stelle hält warm, ein leichter Nieselregen setzt ein, zu späterer Stunde sicherlich eine willkommene Abkühlung.

Die Stimme im Lautsprecher schwillt an, 10, 9, ….2, 1, und los geht’s:

 Ja wo laufen sie denn ...

Es dauert noch 1-2 Minuten, ehe ich mich in Bewegung setzten kann und die Startlinie überquere, ab jetzt läuft die Netto-Zeit für mich, ich werde mein Bestes geben, immerhin stehen liebe Menschen an der Strecke um mich zu unterstützen und anzutreiben.
 


Der Lauf selbst … 

Die ersten Kilometer ziehen sich durch den Bürgerpark, man läuft noch rel. dicht gedrängt im Feld, es ist schwer, den eigenen Rhythmus zu halten, ich merke, dass ich eigentlich zu schnell laufe, aber das ist jetzt egal, Hauptsache ich laufe, ich werde schon ankommen. Nach einigen Kilometern lichtet sich das Läuferfeld ein wenig, ich bin warm gelaufen und genieße das Gefühl, mitten auf breiten Straßen laufen zu können, keine Autos, extra alles für uns abgesperrt. Überall fleißige Helfer, Ordner die den Weg weisen, Polizisten, die die Strassen absperren, Leute, die an den zahlreichen Verpflegungsstellen Getränke und Schwämme  entgegenstrecken. Zuschauer stehen am Straßenrand, klatschen und feuern an, manch originelles Plakat lässt einen schmunzeln und kurzfristig die allmählich zunehmende Anstrengung vergessen. Ich habe meine beste Musik im MP3-Player aufgelegt und bin noch guter Dinge, meine Kondition betreffend. Die Hälfte ist geschafft, es geht weiter durch Hafen-Industriegebiet, hier ist es zugig und ungemütlich. 10-15  Kilometer bin ich schon oft gelaufen, aber 20 km nur einmal. Die harte Tour wird für mich auf dem letzten Stück beginnen, aber daran mag ich jetzt noch nicht denken. Jetzt geht es an die Schlachte und entlang der Weser bis zum Stadion, eine wunderschöne Strecke, obwohl sich der Weg schier endlos lang dahin zieht.

Grafik Bremenmarathon

Dann beginnt der letzte und schwerste Teil, ich passiere km 15! Meine Zeit ist gut, eigentlich zu gut, das werde ich nicht durchhalten können. Ein Highlight der Strecke ist der Durchlauf durch das Weserstadion. Es ist ein absolut erhabenes Gefühl, mitten durch das Stadion zu rennen, auch wenn die Zuschauerränge leer sind. Was würde das erst für eine Gefühl sein, wenn jetzt 40 000 Leute jubelten? Nach dem Stadion sollten Familie und Freunde auf mich warten, um mich anzufeuern, ob sie überhaupt angesichts der 10 Minuten Startverzögerung und den Hunderten Läufern vor mir noch mit mir rechnen. Ja wohin schauen sie denn, ich laufe rel. isoliert, man sollte mich eigentlich gut erkennen, schau ich schon so fertig und abgekämpft aus? Ein Schreien, ein Zujubeln, nach wenigen Sekunden bin ich weiter, schade! Ich wäre gerne nochmals vorbeigelaufen, der Moment war so kurz.

Weiter geht es die „Steigung“ zum Osterdeich hinauf, eigentlich lächerlich, aber nach 16 km wird selbst diese kleine Schräge zur Qual. Auch der Osterdeich zieht sich lang dahin, glücklicherweise treiben die Zuschauer an und motivieren, es sind ja „nur“ noch 5 km bis ins Ziel. Von hinten überholen mich jetzt gelegentlich Läufer, auch solche, die ich vorher überholte, aber damit muss ich leben. Zeiteinteilung ist wichtig, und daran muss ich ebend noch arbeiten.

Foto Johann Ebend Halbmarathon Bremen 2007
 


Kurz vor dem Ziel…

Die letzten 3 Kilometer durch die Innenstadt waren die Härtesten, ich spürte meine Kondition schwinden, die Beine wurden schwer wie Blei, jetzt rächte es sich vermutlich, dass ich anfangs zu schnell angegangen bin. Ich hatte zeitweise das Gefühl, mehr zu Walken als zu Laufen. Aber es ist unglaublich, was man noch als Reserve mobilisieren kann, wenn man ein Ziel vor Augen hat. An der letzten Ecke peitsche mich ein Lautsprecherwagen eines Rundfunksenders an, nur noch einen einzigen winzigen Kilometer bis um Ziel! Ich wusste bis dahin noch nicht, wie lange so ein Kilometer sein kann, er zieht sich doch glatt 1000 endlose einzelne Meter dahin. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass ich immer noch eine für mich sehr gute Zeit lief, ich wollte eigentlich unter 2 Std. bleiben, und es waren jetzt kurz vorm Ziel gerade ca. 2 Std. Brutto-Zeit vorbei, vielleicht konnte ich es noch mit der Netto-Zeit schaffen. Ich gab mein Letztes, aber die Beine wollten dem Kopfkommando nur noch bedingt gehorchen.

Foto Johann Ebend Halbmarathon Bremen 2007

Die letzten 200m vor dem erlösenden Ziel säumten auf beiden Seiten zujubelnde Zuschauer, ein unbeschreibliches und wunderbares Gefühl, auch wenn man wegen der Anstrengung mental gar nicht mehr alles registrieren kann.
 


Im Ziel …

In 2:00:42 Std. über die Ziellinie, die Nettozeit betrug 1:58:59 Std., ich hätte es nicht geglaubt nach dem Einbruch auf den letzten Kilometern mein persönliches Ziel noch zu erreichen. Menschentrauben und andere von Anstrengung gezeichnete Läufer um mich herum, jemand hängt mir eine Finisher-Medaille um, es ist geschafft, der absolute Hammer!!! Ich bin kaputt, ausgelaugt, zufrieden und glücklich, und auch ein wenig stolz auf mich. In der Halle gibt es frisches kühles alkoholfreies Weizenbier, Bananen, Orangen, man glaubt gar nicht, wie gut so etwas schmecken kann. Nach dem leider nur lauwarmen Duschen geht es mit Urkunde und Medaille bepackt und mit dicken Beinen nach Hause. Am Abend, nach einem langen genüsslichen Bad und nach einem ergiebigen Essen (die 1700 verbrauchten Kcal müssen ja wieder aufgeholt werden!) ist der Körper (fast) wieder in Ordnung.

HM Medaille

„Du machst eine gute Figur beim Laufen Papa“ und „Ich bin stolz auf dich!“ hörte ich tags darauf von meiner erwachsenen Tochter. Na wenn das kein Grund ist, den nächsten Halbmarathon-Lauf anzugehen ….?!
 


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